Herr Rolff, angeblich leidet die Generation Z stärker als jede andere unter psychischen Belastungen. Ist Mental Health vor allem ein Thema junger Beschäftigter?
Benjamin Rolff: Nein, es zieht sich eindeutig durch alle Altersklassen. Bei der Generation Z ist die Offenheit, über psychische Belastungen zu sprechen, jedoch größer als bei älteren Mitarbeitenden. Das liegt meiner Ansicht nach auch an den sozialen Medien, über die junge Menschen schon früh mit dem Thema Mental Health in Kontakt gekommen sind. Wenn ich an meine eigene Jugend zurückdenke, war das noch nicht der Fall. Und wenn ich weiter zurückdenke, gab es in meiner Familie auch einen Fall von Burnout und Erschöpfungsdepression. Damals wurde noch sehr gerätselt, was sich dahinter verbergen könnte. Dementsprechend müssen wir anerkennen, dass gerade auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahren eine starke Aufklärungsarbeit stattgefunden hat.
Für Mental Health braucht es gesunde Führung. Wie kann die gelingen?
Indem ich mich als Führungskraft zunächst einmal mit mir selbst auseinandersetze. Vor gesunder Führung steht immer gesunde Selbstführung. Ich muss also bereit sein, mich selbst zu reflektieren, wie es mir gerade geht, was mich derzeit herausfordert, wo es mentale Belastungen gibt und welche Möglichkeiten ich habe, damit umzugehen. Denn es ist wahrscheinlich, dass die Dinge, die mich herausfordern, auch andere Menschen herausfordern. Wenn man bei sich selbst beginnt und das dann auch noch vorlebt, ist das schon ein großer Schritt.
Was wünschen sich Beschäftigte im Zusammenhang mit mentaler Gesundheit derzeit am meisten von ihrem Arbeitgeber?
Ein wichtiges Thema ist die Arbeitslast. Führungskräfte sollten sicherstellen, dass Arbeitsaufgaben einen klaren Beitrag haben und zu den Rollen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden passen. Denn wenn ich bereits total gestresst bin und meine Arbeit für mich weder Sinn macht noch meinen Fähigkeiten entspricht, dann steigt die Belastung zusätzlich. Außerdem hilft es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Mitarbeitende befähigen, für sich selbst gesunde Entscheidungen zu treffen. Ein gutes Beispiel ist die Meeting-Kultur: Springen wir von einem Termin in den nächsten oder planen wir Meetings so, dass jede Person die Möglichkeit hat, zumindest eine kurze Pause einzulegen?
„Flexibilität ist das Fundament, um auf gesunde, individuelle Weise mit hohen Job-Anforderungen umzugehen.“
– Benjamin Rolff, coeffect
Welche Rolle spielen flexible Arbeitsmodelle bei der Unterstützung der psychischen Gesundheit?
Eine große. Wenn wir unseren Beschäftigten den Raum und die Freiheit geben, die Arbeit entlang ihrer Bedürfnisse zu gestalten, ist das ein wichtiger Schritt. Sollte ich zum Beispiel jemand sein, der ein paarmal wöchentlich Ruhe braucht, um konzentriert an einer Sache zu arbeiten, dann kann es mir sehr gut tun, den einen oder anderen Tag im Homeoffice zu verbringen. Andererseits gibt es auch viele Menschen, die den sozialen Austausch brauchen. Wenn die nur im Homeoffice säßen, wäre das für sie langfristig ungesund. Flexibilität ist das Fundament, um auf gesunde, individuelle Weise mit hohen Job-Anforderungen umzugehen.
Wie müssen Büros gestaltet werden, damit Beschäftigte sich wohlfühlen und produktiv arbeiten können?
Ein guter Arbeitsort bietet Rückzugsorte für konzentrierte Arbeit und Raum für Kollaboration. Das wird in der hybriden Arbeitswelt ohnehin immer wichtiger. Hinzu kommen Möglichkeiten, die mehr zur Bewegung animieren. Das beginnt schon bei der Büroausstattung, also kann ich mich mal hinstellen, kann ich mich mal hinsetzen, kann ich mich mal hinlegen? Bin ich animiert, an einem Meeting auch mal im Gehen teilzunehmen, statt mich immer nur mit anderen an einen Tisch zu setzen? Ich selbst mache tagsüber viel im Stehen und merke, wie positiv sich das auf mich auswirkt. Dadurch bin ich zum Beispiel wacher und konzentrierter und habe zu gewissen Zeiten mehr Energie, als wenn ich den ganzen Tag sitzen würde.